Bad Homburg. Sie überwachen und dokumentieren jedes Öffnen und Schließen der Türen sowie die Standzeiten an den Haltestellen, sie drucken und lesen Fahrkarten aus, sie dienen als Fahrerassistent und sorgen dafür, dass die Fahrgäste Zugriff auf freies WLAN haben. Kurzum: Bordcomputer sind das Herz der Stadtbusse und echte Alleskönner. In einem interkommunalen Projekt, an dem die Städte Bad Homburg (36 Busse), Oberursel (11 Busse) und Friedrichsdorf (6 Busse) beteiligt sind, wurden jetzt neue Bordrechner für die Stadtbusse angeschafft und installiert. „Ziel des Projekts ist es, die Qualität des ÖPNV zu verbessern und neue Services für die Fahrgäste einzuführen“, erklärt Bad Homburgs Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak.
Antje Runge, Oberursels Bürgermeisterin, ergänzt: „Digitalisierung ist ein Top-Thema, das wir in Oberursel stark verfolgen. Die Digitalisierung der Stadtbus-Bordcomputer stärkt die Teilhabe.“
Was früher mehr oder weniger einfache Drucker waren, sind heute hoch technologisierte Rechner, die sowohl den Fahrgästen als auch den Stadtverwaltungen und den Busbetreibern viele neue Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten bieten.
„Der integrierte Bordrechner ist die digitale Schaltzentrale im Bus. Er erfasst alle Vorgänge, kommuniziert mit der Leitstelle, druckt Fahrscheine, scannt Barcodes, validiert E-Tickets und steuert Peripheriegeräte an“, erklärt Frank Denfeld, der bei der Stadt Bad Homburg für den Bereich ÖPNV verantwortlich zeichnet. Dank Touchdisplay bedienen Fahrerinnen und Fahrer die Oberfläche auch im hektischen Alltag schnell und intuitiv. Verbunden mit der Fahrzeuginfrastruktur senden und speichern die Rechner die jeweilige Geschwindigkeit der Busse oder auch deren Standort. Vor allem aber werden die Fahrgäste an den großen Knotenpunkten in Echtzeit mit Informationen über Anschlussmöglichkeiten versorgt. Jedynak: „Mit den neuen Bordrechnern und deren Technologie sind wir in der Rhein-Main-Region führend.“ Julia Antoni, Geschäftsführerin der Stadtwerke Oberursel (Taunus) GmbH, die den Stadtbus in Oberursel betreibt, und Mitglied im Oberurseler Digitalrat ergänzt: „Wir bieten unseren Fahrgästen nun echte Mehrwerte, die das Busfahren in der Region attraktiver machen.“
Welche konkreten Vorteile ergeben sich für die Fahrgäste?
- Durch die Vernetzung werden die Fahrgäste an den Verkehrsknotenpunkten (Bahnhof, Kurhaus, Endhaltestelle U2) über die Innenanzeigen in Echtzeit über die Anschlussmöglichkeiten informiert. Bislang wurden auf dem linken Bildschirmbereich lediglich die nächsten Haltestellen angezeigt.
- Die neue Technologie kann dafür sorgen, dass die Fahrgäste ihre Anschlüsse auch erreichen. „In den Abendstunden kann bei geringfügigen Verspätungen der S- oder U-Bahn automatisiert ein Wartehinweis an die Fahrerinnen und Fahrer gesendet werden“, erklärt Philip Verman, der vonseiten der Stadt Bad Homburg für das Projekt verantwortlich zeichnet.
- Zusätzlich zu den Chipkartenlesern für E-Tickets können künftig auch Tickets, die mit einem QR-Code versehen sind, beim Einsteigen ganz einfach über einen Barcodescanner verifiziert werden.
- Ein großer Vorteil für die Fahrgäste ergibt sich, wenn diese auf ihrem Smartphone auf die RMV-Go-App zugreifen können. Über die App können nicht nur Fahrkarten erworben werden, was die Standzeit der Busse an den Haltestellen verkürzt. Die Kundinnen und Kunden werden über die App künftig minutengenau über etwaige Verspätungen auf den einzelnen Linien informiert.
- In sämtlichen Bussen haben die Fahrgäste kostenfreien WLAN-Zugang, ohne sich registrieren zu müssen.
- Müssen einzelne Buslinien umgeleitet werden, zeigt der Innenmonitor Informationen zur Umleitung an.
- Auch das Beschwerdemanagement wird sich im Sinne der Fahrgäste deutlich verbessern, da aufgrund der technischen Möglichkeiten vermeintliche Verspätungen, Geschwindigkeitsüberschreitungen oder ähnliches nachvollzogen werden können.
Der Produktbereich ÖPNV erhält durch die neuen Bordcomputer deutlich mehr Informationen aus und über die Busse und hat so die Möglichkeit, sein Qualitätsmanagement deutlich zu verbessern.
Auch eine genaue Zählung der Fahrgäste ist in einigen Bussen bereits möglich. Verman: „So können wir den Einsatz von Bussen auf den einzelnen Strecken besser koordinieren.“
Welche Vorteile ergeben sich für die Busbetreiber und die Fahrerinnen und Fahrer?
- Die Leitstelle hat jetzt einen „direkten Draht“ zu den Bussen. Durch die zahlreichen Automatisierungen kann in jeder Situation schnell und angemessen reagiert werden, um beispielsweise Fahrgäste zu informieren. Bei Bedarf können für die Busse Fahrweg-änderungen, Verstärkerumläufe oder Fahrtabbrüche mit wenigen Klicks angelegt werden.
- Die Fahrerinnen und Fahrer können jetzt über den Bordcomputer auf eine Navi-Funktion (Kartenbasierte Darstellung) zurückgreifen. Verman: „Wir haben uns für diese Funktion entschieden, um die Fahrerinnen und Fahrer etwa bei Umleitungen dabei zu unterstützen, den richtigen Weg zu fahren.“
- Die automatische Anschlusssicherung unterstützt ihr Fahrpersonal mit entsprechenden Hinweisen.
- Das neue System wird den Ladezustand und Restreichweite von Elektrobussen erfassen können. Der Leitstelle wird es so möglich sein, die Fahrzeuge zu überwachen und optimiert einzusetzen.
- Während die Kommunikation zwischen der Leitzentrale und den Busfahrerinnen und Busfahrern bisher über mobile Telekommunikation lief, kann jetzt über die Bordrechner Kontakt aufgenommen werden – einzelnen oder an alle Busse gleichzeitig.
Werbung im Bus
Über die Innenanzeiger in den Stadtbussen ist es künftig auch möglich, punktgenaue Werbung zu schalten. „Der Fokus bei den Monitoren liegt natürlich noch immer auf der Fahrgastinformation, also auf den Hinweisen zu Anschlüssen, RMV-Produkten, Umleitungen oder Verkehrsstörungen“, so Frank Denfeld. Durch die neue Technik in den Bussen ist es aber ab sofort möglich, sowohl Fahrgastinformationen als auch Werbeeinblendungen „over-the-air“ zu platzieren. Verman: „Bislang mussten wir die Informationen auf einem USB speichern und in jedem Bus einzelnen runterladen. Jetzt können wir das alles vom Rathaus aus steuern.“
Der erste Anzeigenkunde für die Stadtbusse ist auch schon gefunden: Die GVG Glasfaser GmbH sorgt aktuell mit ihrer Marke teranet in Kooperation mit der Stadt Bad Homburg für den eigenwirtschaftlichen und flächendeckenden Glasfaserausbau im Stadtgebiet.
Der Telekommunikationsspezialist Martin Pfeifer, Gebietsleiter Hessen bei der GVG Glasfaser, ist beeindruckt von den Digitalisierungsmaßnahmen in den Stadtbussen. „WLAN in Verbindung mit dem Einsatz eines hochtechnisierten Bordcomputers im ÖPNV lässt die Fahrerinnen und Fahrer dank Echtzeitübertragung den Stadtverkehr stets vollumfänglich im Blick behalten und erleichtert zudem die Kommunikation mit der Leitstelle immens. Daraus resultieren optimale Abläufe, wodurch Fährpläne eingehalten und Fahrgäste pünktlich und sicher an ihr Ziel gebracht werden können.“ Pfeifer sieht in genau solchen digitalen Projekten die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs und freut sich, dieses Pilotprojekt als erster Werbekunde begleiten zu dürfen.
Die Werbung in den Bussen kann sehr zielgerichtet (z.B. zu einzelnen Veranstaltungen) und auf den jeweiligen Ort (Bad Homburg, Oberursel, Friedrichsdorf) bezogen geschaltet werden. Allein in Bad Homburg erreicht man täglich 25.000 Kontakte.
Wer sich für Werbung in den Stadtbussen interessiert, kann über die Mailadresse buswerbung@bad-hombur.gde weitere Informationen einholen. Auch auf der Homepage der Stadt Bad Homburg werden die Informationen über Werbemöglichkeiten und Tarife demnächst zur Verfügung stehen. Wer in den Oberurseler Stadtbussen werben möchte, kann sich an stadtbus@stadtwerke-oberursel.de wenden, für Friedrichsdorf: stadtverwaltung@friedrichsdorf.de.
Die Gesamtkosten für das Projekt, das im Sommer 2020 gestartet wurde, belaufen sich auf rund 1,3 Millionen Euro. Dabei wurden die reinen Investitionskosten zu 50 Prozent mit Bundesmitteln in Höhe von 350.000 Euro gefördert. Die verbleibenden Investitionskosten und die laufenden Mittel in Höhe von 950.000 Euro werden von den drei beteiligten Kommunen (Bad Homburg 70 %, Oberursel 20 % und Friedrichsdorf 10 %) getragen. Die jährlichen laufenden Kosten in Höhe von 100.000 Euro, die an die RMV-Tochter RMS fließen, umfassen die Software-Gebühren sowie die Dienstleitungen Support, Wartung und Hosting. Sie werden ebenfalls nach dem 70-20-10-Schlüssel zwischen den drei beteiligten Kommunen aufgeteilt.
Bürgerbeteiligung während des Pilotbetriebes
Bis zu Beginn des kommenden Jahres befindet sich die neue Technik noch im Pilotbetrieb. In diesem Zeitraum setzt die Stadt auf die Mitarbeit der Fahrgäste, die sich per anonymer und freiwilliger Umfrage an der Optimierung des Systems beteiligen können. Per QR-Code, der als Sticker in den Bussen angebracht wird, werden die Fahrgäste zur Umfrage geleitet. Das Feedback (Störungen oder generelle Empfindungen zu Schriftgröße, Ansagenlautstärke, etc.) wird digital an die Stadt übermittelt. „So wollen wir gemeinsam mit den Fahrgästen das System während der Pilotphase für den künftigen Dauereinsatz optimieren und eventuell vorhandene Störungen beseitigen“, erklärt Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak.