Bad Homburg. Die Folgen des Klimawandels stellen die Feuerwehr vor neue Aufgaben. Schwerpunkt der konzeptionellen Ausrichtung sind Einsatzszenarien im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen. Denn die Häufigkeit klimafolgenbedingter Einsätze nimmt kontinuierlich zu: Starkregen, Hochwasser sowie Wald- und Vegetationsbrände. Insbesondere die innerstädtischen Gefahren bei Starkregenereignissen haben sich verstärkt und geben Anlass, die Einsatzkonzepte anzupassen.
„Die Bad Homburger Feuerwehr beobachtet kontinuierlich Trends und Entwicklungen, um frühzeitig und rechtzeitig die notwendigen Anpassungen in Technik und Taktik umzusetzen“, sagt Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak. Modular und hochflexibel ausgestattete Waldbrandeinheiten und ein funktionierendes Warnsystem sind bereits verfügbar.
Waldbrand-Modul
Die Sondereinheit wird nun mit einem speziellen Waldbrand-Modul verstärkt. Das auf einem hochgeländegängigen Trägerfahrzeug verlastete Modul ist speziell für die Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung konzipiert. So kann auch während der Fahrt durch unwegsames Gelände, Gestrüpp oder abseits befestigter Wege über ein hydraulisch angetriebenes Löschsystem aus einer Dachluke des Führerhauses das Feuer bekämpft werden. Ein 2000 Liter fassender Löschwassertank ist ebenfalls auf dem Container-Modul verlastet, sodass sofort nach Eintreffen an der Brandstelle mit den Löscharbeiten begonnen werden kann. Weitere Ausrüstung wie spezielle Waldbrandschläuche und Handwerkszeug zur Bodenbrandbekämpfung werden mitgeführt und ergänzen die Ausrüstung.
Das Bedienpersonal wurde in Fachlehrgängen an der Hessischen Landesfeuerwehrschule qualifiziert und verstärkt die Einsatzkräfte des Waldbrandlöschzuges der Stadtteilfeuerwehren Kirdorf, Ober-Erlenbach und Dornholzhausen. Bei dem Konzept handelt es sich um eine hochmobile und geländegängige Spezialeinheit. Für die weitere Löschwasserversorgung und die Erhöhung der Erstschlagfähigkeit sind derzeit Tankcontainer in der Beschaffung.
„Unser Waldbrand-Löschzug hat sich bereits in zahlreichen Einsätzen, unter anderem dem Großbrand am Altkönig, hervorragend bewährt. Das Bad Homburger Modul-Konzept findet kreis- und hessenweit Beachtung“, so Dr. Jedynak.
Starkregen-Modul
Für die Räumung von Trümmern und Windbruch stehen speziell ausgebildete Einsatzkräfte zur Verfügung. Auf Grundlage der Starkregen-Gefahrenanalyse wurden für das Stadtgebiet neue Aufgabenschwerpunkte identifiziert. Überflutete Gebäude mit möglicherweise darin eingeschlossenen Menschen, in Wassermassen steckengebliebene Fahrzeuge mit Insassen und schnell fließende Gewässer (Bäche) oder sich spontan bildende, schnell strömende Wasserabflüsse über Straßen und Gehwege sind neue Gefahrenschwerpunkte in der Einsatzplanung. Die urbane Infrastruktur mit besonders gefährdeten Personengruppen ist hierbei besonders anfällig gegenüber den Folgen von Extremwetterereignissen. Der bisherige Fokus der Einsatzstrategie wird daher neu ausgerichtet und neue Fähigkeiten in der Wasser- und Strömungsrettung aufgebaut.
Hierzu werden Angehörige der Feuerwehr an international renommierten Trainingseinrichtungen qualifiziert, um in schnell fließenden Gewässern Hilfe leisten und auch in größer überfluteten Bereichen tätig werden zu können. Auch die Anpassung der persönlichen Schutzausrüstung und der Einsatztechnik ist dazu erforderlich. Spezielle Schutzanzüge und Gerätschaften zur Sicherung und Rettung aus schnell strömenden Gewässern wurden beschafft. Bisher lag der Fokus auf der Wasser- und Eisrettung im Bereich sogenannter stehender Gewässer, also den Bad Homburger Teichen und Weihern.
Mit dem Modul Evakuierung steht den Spezialkräften ein hochgeländegängiges und wattfähiges Einsatzmittel zur Verfügung. Mit dem Fahrzeug können überflutete Bereich durchfahren werden, um vom Wasser eingeschlossene Personen aus Autos oder Häusern retten zu können. Durch eine spezielle Konstruktion im Dach kann der Einsatz auch über Leitern in höhere Bereiche erfolgen. Insgesamt acht Personen können sitzend im Evakuierungs-Modul in Sicherheit gebracht werden. Verletzte können auch durch eine spezielle Trage liegend evakuiert werden.
An die Rettungskräfte werden besonders hohe Anforderungen an die Fitness und die körperliche Belastbarkeit gestellt. Die aufwändige praktische Ausbildung in der Strömungsrettung dauert zwischen zwei und zehn Wochen. Die Rettungsschwimmer und Strömungsretter bauen auch Fähigkeiten auf, um gegebenenfalls Personen unter Wasser orten und retten zu können.
„Die von der Stadt früh veranlasste Starkregen-Gefahrenanalyse bestätigt die Einschätzung der Feuerwehr und ist Auslöser für verschiedenste Maßnahmen in der Gefahrenabwehr und in der Notfallvorsorge“, sagt Bürgermeister Dr. Jedynak.
Hochwasser-Modul
Für die im Einsatzverlauf folgende Beseitigung von Hochwasserschäden ist die Bad Homburger Feuerwehr ergänzend zu den bereits vorhandenen Pumpen und Schutzmitteln nun auch mit einem weiteren Modul ausgestattet, dass aufgrund der Eigenschaften des Trägerfahrzeuges auch in höher überfluteten Bereichen eingesetzt werden kann. Konzeptionell kann das Modul mit dem bordeigenen Kran auch im Schadengebiet abgesetzt werden und dort als stationäres Einsatzmittellager für Hochwasserschäden betrieben werden.
Die Lenzpumpen mit einer Leistung in Summe von 10.000 Litern pro Minute können hierbei über einen mitgeführten Stromerzeuger betrieben werden. Damit ist ein autarker Wirkbetrieb im Schadengebiet sichergestellt. Im Hinblick auf die Überflutung von Straßen und Wegen ist dieses Einsatzmittel besonders wertvoll und kann darüber hinaus zur Wiederherstellung von Abflüssen und Kanaleinläufen eingesetzt werden.
Im abgelasteten Zustand kann das Trägerfahrzeug über die Ladefläche zusätzliche Hochwasserschutzmittel wie Sandsäcke, Barrieren oder Notfallmittel in gefährdete und schwer erreichbare Bereiche bringen und über den Ladekran ausgeben.
Bei dem Trägerfahrzeug handelt es sich um ein neu für die Feuerwehr und den Katastrophenschutz konzipiertes, hochgeländegängiges Fahrzeug MB Unimog (Gerätewagen-Logistik Katastrophenschutz, kurz: GW-L KatS) der Firma Mercedes Benz. Ausgestattet mit einem 170 Kilowatt starken Dieselmotor kann das maximal 15.250 Kilogramm schwere Fahrzeug mit seinem Allrad-Antrieb auch in steilem oder unwegsamem Gelände mit einer Steigung von bis zu 25 Prozent eingesetzt werden. Für besonders komplexe Bergungsfälle verfügt das Fahrzeug eine eigene Seilwinde. Das Fahrzeug- und Modulkonzept sieht vor, dass mittels des bordeigenen Ladekrans die Module selbstständig missionsspezifisch verladen werden können. Für die schnelle Mitführung eines Ergänzungsmoduls steht ein Tandemachsanhänger zur Verfügung, sodass auch mehrere Ausstattungsvarianten im Ersteinsatz transportiert werden können.
Ergänzt wird diese schwere Feuerweheinheit durch ein vierachsiges Wechselladerfahrzeug (WLF-K) auf einem Allrad-Fahrgestell und einer gewichstabhängig genutzten Liftachse. Das maximal 32.000 Kilogramm schwere Einsatzfahrzeug verfügt über eine Antriebsleistung von 310 Kilowatt und kann je nach Einsatzlage verschiedene Container über eine fahrzeugeigene Hakenanlage aufziehen. Es ergänzt die schweren Rettungs- und Bergungseinheiten und ist dem sogenannten Rüstzug der Bad Homburger Feuerwehr zugeordnet.
Zu dem Einsatzkonzept zählt auch ein umfangreich für den Rettungs- und Bergungseinsatz ausgestatteter Container und ein Arbeitskorb für die Rettung aus Höhen und Tiefen. Als technische Rettung gehört „Höhenrettung“ zum Aufgabenbereich der Feuerwehr. Über die verlasteten Einsatzmittel und den bordeigenen Kran können Verletzte aus Baugruben oder aus höhergelegenen Einsatzstellen gerettet werden. Die Ausstattung umfasst darüber hinaus auch Gerätschaften zur Räumung und Beseitigung von Trümmern, wie sie nach Unwettern oder bei Einsturz von Gebäuden zu erwarten ist. An die Krananlage kann eine Baggerschaufel oder ein Polygreifer angebracht werden. Für das Verrücken von Windwurf ist ein spezieller Stammgreifer vorhanden. Für den Einsatz auf Autobahnen und Schienen verfügt das Fahrzeug über eine Beladung mit Rettungsplattformen, die bei der technischen Rettung aus Lastwagen oder bei der Evakuierung von Zügen auf freier Strecke zum Einsatz kommen.
Beide Fahrzeuge zählen zu den überschweren Einheiten des von der Bad Homburger Feuerwehr gestellten Katastrophenschutzes. Sie sind Bestandteil des Hessischen Katastrophenschutzkonzeptes und wurden aufgrund der besonderen Leistungsfähigkeit und der Einsatzschwerpunkte in Bad Homburg stationiert. Durch das Land Hessen wurde dem WLF-K ein regionaler Zuständigkeitsbereich zugewiesen. Dieser umfasst das Rhein-Main-Gebiet und reicht bis in den Main-Taunus-Kreis.
Der GW-L KatS mit dem Funkrufnamen „Florian Bad Homburg 1-69-1“ wurde am 14. September 2024 im Rahmen eines Festakts durch den Hessischen Innenminister Roman Poseck in Wiesbaden übergeben.